4. Tourwoche: von Crivitz bis Bremerhaven (06-13.10.2010)

06.10: von Crivitz nach Wismar (52 km) – wer hätt’s gedacht, die Sonne lacht

Höhepunkte: nach morgendlichem Nebel kommt schon wieder die Sonne raus; ein schöner Morgen am Crivitzersee; die Nebenstrecke nach Schwerin über Felder und an Seen entlang; Kuchen am Zippendorfer Strand und das Schweriner Schloss; die abendliche Ankunft in der gemütlich schönen Hansestadt Wismar

Begegnungen: ich treffe den ersten jungen Radwanderer, ein Däne auf dem Weg nach Istanbul: „Schutzbleche brauche ich nicht, ich hoffe, dass ich immer gutes Wetter habe, haha“; eine Gruppe junger FÖJler, die ein Seminar zum Thema Nachhaltigkeit vorbereiten und mich spontan in die Gruppe integrierten um gemeinsam über Nachhaltigkeit und unsere Generation zu diskutieren; ein junger Papa, der mich an dem sonnigen Spaziergang mit seiner Tochter teilhaben ließ; zwei Wismarerinnen, die die verschlossene Mentalität der Schweriner beklagten; und in Wismar dagegen zwei gegensätzliche Meinungen: ein 27-jähriger der endlich weg will von zuhause und zwei junge Damen, die verliebt in die Heimat wieder in Wismar leben und bleiben wollen.

Alle Bilder gibt es auf: www.flickr.com/photos/jungedeutsche

Couchsurfing: Couchsurfing hatte heute leider nicht funktioniert. Aber irgendwie wollte ich aus Prinzip nicht in ein Hotel oder eine Herberge und so fragte ich zwei Damen auf dem Crivitzer Marktplatz um Obdach – früher war das schließlich ganz normal, warum nicht heute ausprobieren; sie empfahlen mir, es beim netten Pfarrer zu versuchen und ich schlief auf der Couch des Pfarrheims; abends wuselten die Konfirmationskandidaten herum und aßen Pauls meisterhaft knusprig zubereitete Lasagne und morgens gab es leckere Makronen mit den tollen engagierten Damen, die das 25-jährige Jubiläum ihrer Gruppe vorbereiteten. Vielen Dank nochmal, für das Vertrauen und das herzliche Willkommen Fremden gegenüber!

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07.10: Ruhetag in Wismar – heute ist’s diesig, super zum Arbeiten

08.10: von Wismar nach Pelzerhaken (72 km) – kein Regen aber eine steife Brise

Höhepunkte: die Altstadt von Wismar; endlich die Ostsee-Luft schnuppern; der gemütliche Ostsee-Radwanderweg, entlang der Küste und durch alte Dörfer; eine Fährfahrt in Travemünde; und der Trubel an der Timmendorfer Strandpromenade

Begegnungen: es ist ja schon nicht normal, vom Allgäu bis an die Ostsee mit dem Rad zu fahren, doch an dem ersten Ostseestrand treffe ich ausgerechnet Allgäuer, die mit dem Pferd bis hier her geritten sind; die Jungs in Boltenhagen waren so beschäftigt, dass ich mir einen Korb nach dem anderen einholte – selbst zwei Jungs, die wichtigerweise einen Bollerkarren mit leeren Flaschen zogen, hatten überhaupt keine Zeit für sowas und interessierten sich eh nicht für Politik; mittags in Travemünde rufe ich auf Verdacht „Kalle!!“ und siehe da, ein Studienfreund aus Konstanzer Zeiten spaziert mit seiner Tochter … Die Welt ist ein Dorf und es leben die schönen Zufälle.

Couchsurfing: ganz schön spannend, was man von einem Abrissunternehmer so erfahren kann; obwohl er total beschäftigt war, wurde ich mit einem leckeren Caipi willkommen geheißen, bekam ein gemütliches Gästezimmer und konnte einen Tag lang konzentriert Filmchen schneiden und so. Vielen Dank

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09.10: Pelzerhaken und Bungsberg – Sonne, Moin Moin und eine steiffe Brise

Höhepunkte: morgendliches Bad in der sehr erfrischenden Ostsee; erklimmen der höchsten Erhebung Schleswig-Holsteins, der Bungsberg mit sagenhaften 168 Höhenmetern oder über 500 Fuß; und Gelato und die bunten Strandkörbe am Ostseestrand bei Grömitz

Couchsurfing: eine ehemalige Arbeitskollegin beherbergt mich ganz wunderbar für zwei Nächte

10.10: von Pelzerhaken nach Kiel (68 km) – etwas kühler, aber Sonne und kaum Wind

Highlights: die Plöner Seenplatte; die schönen Schilf-gedeckten Häuser; der lecker zubereitete Fisch zu Mittag

Begegnungen: ein junge Abiturientin auf dem Weg zur Oma zum Mittagessen – ihr gefällt es gut in Ost-Holstein an der Küste und auch wenn sie zum Studieren gerne weg will, später möchte sie schon am liebsten wieder hier leben; ein junger Mann und eine Frau, die auf einer Entziehungskur sind und am Parkplatz gemütlich Kippe schmauchten – meine Fragen über Leben und Arbeiten waren ihnen Unangenehm und so fuhr ich ohne ihre Geschichten weiter; und eine Joggerin, die sich als joggende Touristenführerin anbot und mir den Weg zu meinem nächsten Couchsurfing-Gastgeber zeigte
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11.10: von Kiel nach Horst/Holstein (ca 100 km) bei tollem Wetter, aber mit einigen Umwegen

Höhepunkte: die Kieler Föhrde – Wassersportparadies mit Landtag, Marine und gemütlichem Radweg; der Nordsee-Ostsee-Kanal; die tollen Äpfel am Wegrand; und die prächtigen Bauernhöfe

Begegnungen: ein junger Kieler am Kanal mit seinem Vater am Angeln – „gelernt habe ich Bäcker und im Moment arbeite ich als Paketzusteller um meinen Meister zu machen“, als Lebensmittelkontrolleur werde ich mein Glück in den USA versuchen und vielleicht wie viele meiner Freunde dort bleiben; ein älterer Herr und Gartenbesitzer, der mir mehrere Kilo seiner leckeren Äpfel mitgeben wollte und Loblieder auf die Schönheit Süddeutschlands sang; und abends ans Lagerfeuer des Ubunto Zirkus – doch davon morgen mehr.

Couchsurfing: kennengelernt haben wir uns am Gemüsedönerstand am Berliner Mehringdamm vor zwei Wochen, aber die gemeinsamen Kletterfreunde aus der Vergangenheit ließen ein ungewöhnliches Gefühl der Vertrautheit zu; zu Gast war ich schließlich in einer schönen Altbauwohnung in Kiel mit dem Bad voller Neoprenanzüge und Segelzeug; ich hatte das Gästebett im Arbeitszimmer für mich und abends eine tolle Diskussion mit der ganzen WG und zusätzlichen Besuchern; bis spät unterhielten wir uns darüber, warum junge Leute sich nicht in Parteien engagieren, obwohl sie innerlich kochen: aber wo anfangen wenn man etwas tun will? wie kann man sich gezielt zu Themen einbringen, ohne das Gefühl zu haben, dass die Energie einfach verpufft? gibt es noch effektivere und befriedigendere Methode der demokratischen Partizipation als online-Petitions-Aufrufe, von denen man dann in der Regel nie wieder etwas hört und nicht weiß ob sie von den Politikern gehört werden?

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12.10: von Horst/Holstein nach Bremerhaven (ca 93 km) – auf einen sehr kühlen nebligen Morgen folgt Sonnenschein

Highlights: das Frühstück mit den Kindern von Ubuntu; die morgendliche Nebelstimmung in den Elb-Niederungen; die Fährfahrt bei Glückstadt
Begegnungen: der Aufenthalt bei Ubuntu, dem Kinder-Mitmach-Circus: in einer Circus-Wagenburg, finden sich Kinder und Jugendliche, die für ein Jahr ein Programm einstudieren und dies auf Tournee aufführen. Drum herum gibt es Wandergesellen, die beim Schreinern und Gärtnern helfen und Kurse anbieten, Artistik- und Akrobatiktrainer, die Talente fördern und eine Show konzipieren, Sozialpädagogen, die mit den Gruppen leben und arbeiten und eine Köchin (neudeutsch wohl Kitchen und physical Health Managerin), die sich um das leibliche Wohl kümmert.

Die Wandergesellen wussten viel über Gastfreundschaft in Deutschland zu berichten – leider auch davon, dass Traditionen, wie zum Beispiel in Kolpinghäusern, Wandergesellen aufzunehmen, heute nicht mehr so hoch gehalten werden; die Bürgermeister hingegen lassen sich meist nicht lumpen und Unterstützen anklopfende Gesellen gemäß der Traditionen. Tjorven ist Vorstand bei einem deutschen Jugendbund erzählt von ihren Erfahrungen: die Erwaltungshaltung junger Mitglieder sei sehr hoch, bei gleichzeitig geringer Bereitschaft, sich selbst einzubringen um das Programm aktiv mitzugestalten. Selbes Thema wie am Vorabend, ich möchte mich gezielt für „meine“ Themen einbringen, deswegen aber nicht bei einer Partei Mitglied werden …

Couchsurfing: ein Berliner und begeisterter Brettsportler hatte mich eingeladen eine Nacht in dem Projekt Ubuntu zu verbringen; ich schlief in einem Circus-Wagen und wäre der Einladung gerne gefolgt, noch länger zu bleiben und mit den Kindern gemeinsam zu jonglieren; das Projekt wird von dem Verein Soziale Projekte e.V. gefördert und ich halte es für absolut unterstützenswert.

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13.10: das kommt dann im Tourbericht über die 5. Woche – grob geht es weiter nach Bremen, Oldenburg, Münster, Wuppertal, Düsseldorf und Köln

1.114 km + 385 km diese Woche, macht 1.499km nach vier Wochen

2 Gedanken zu “4. Tourwoche: von Crivitz bis Bremerhaven (06-13.10.2010)

  1. Interessante Idee 🙂 BTW: die Flickr-Adresse stimmt wohl nicht. Muss lauten flickr.com/photos/jungedeutsche

  2. Hallo Oliver, vielen Dank für den Hinweis.
    Du hast Recht, dass dies der richtige Link ist, aber da auch der kürzere zum Ziel führt, hatte ich ihn abgekürzt. Er ist jetzt wieder ausgeschrieben und funktioniert, bei mir zumindest.

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