9. & letzte Tourwoche: von Zepfenhan bis Kempten/Allgäu (10-12.11.2010)

+++ am 12.11 Rückkehr in die Heimat, bei Rückensturm und Megaregen – was a kerniger Allgäuer isch, der isch g’scheit oipackt und trotzt mit Lachen dem Unwetter : ) +++ die letzten Kilometer fuhr ich allein, doch nach einem herzlichen Willkommen mit Freunden und Familie im Fluigawiat in Eschach, dem höchsten Punkt meiner Reise +++

10.11: von Zepfenhan nach Wilhelmsdorf (103 km) – frisch aber sonnig

Höhepunkte: Berg Berg Berg – im Schwarzwald, in der schwäb’schen Alb und dann noch im Donautal – da spannen die Waden und glühen die Backen … vor Freude natürlich; die Radwege zwischen Königsheim und Kolbingen – und der Weg ab Mühlheim Donau abwärts waren einfach fantastisch; bei den ganzen idyllisch stehenden einladenden Felsen im Donautal lachte mein Kletterherz

Begegnungen:

  • oben am Berg war ich nicht erfolgreich, aber in Mühlheim an der Donau konnte ich zwei Gesundheits- und Krankenpflegerinnen für ein Interview gewinnen; die Frage warum sie so glücklich sind beantworten sie sehr einfach – „schau dich doch um, ist es nicht super hier!?“; in gewisser Hinsicht ist ihr Job super, „ich könnte jederzeit überall hinziehen und hätte sofort Arbeit“, aber es ist kein leichter Job, der Lohn dafür ist mäßig und die gesellschaftliche Anerkennung gering; die Ausbildungsplätze sind alle besetzt, aber nur ein Drittel macht am Schluss den Abschluss … und dann beschließt die Regierung, dass nun Hartz 4 Empfänger als nicht-examinierte Kräfte eingesetzt werden – das macht mir Angst
  • entlang an der friedlichen kleinen Donau kam ich an einem Ausflugslokal vorbei; das Betreiberpaar war sehr positiv – „wir haben alles! Familie, Kinder, leben hier“; das Thema Bildung löst allerdings allergische Reaktionen aus; „ich bin in der DDR aufgewachsen und das Schulsystem und die individuelle Betreuung von Schülern hat einfach funktioniert, für die Schüler und für die berufstätigen Eltern“
  • einen netten schweizer Herren habe ich noch getroffen, der die schweizer Demokratie für ein gutes Vorbild hält, auch wenn das Ergebnis von Volksentscheiden von bis zu 49% für falsch erachtet werden kann; er wanderte, ich fuhr ein wenig nebenher – und zum Abschied bekam ich eine leckere Tafel schweizer Schoki geschenkt. sweet

Couchsurfing: Abschied vom schönen Blockhaus mit frisch selbstgebackenen Laugeweggle und Linzertorte – das sind mal Abschiedsfanfaren
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11.11: von Niederweiler nach Obereisenbach (33 km) – die Sonne lacht entgegen der Vorhersage

Höhepunkte: entgegen der Wettervorhersage strahlt die Sonne; als ich die erste Höhe erklommen hatte löste sich ein langer und lauter Jauchzer vor Freude meine geliebten Alpen in Reih und Glied stehen zu sehen und zu ihren Füßen ruht der glänzende Bodensee; am 11.11. 2010 um 11:11:11 Uhr fing mal wieder die lustige Jahreszeit an, Fasnet, wie man hier so schön zum Karneval sagt; nach einem leckeren Mittagessen im VAUDE Cafe durfte ich das Traditionsunternehmen und die netten Mitarbeiter noch besser kennenlernen – passend für ein Bergsportunternehmen gingen die Jungs nach der Arbeit noch zum Klettern … und ich mit; und der krönende Abschluss war die Mitternachtsbolognese meines Gastgebers

Begegnungen:

  • junge Mutter mit Fahrradanhänger unterwegs zeigte mir den Weg bei Ravensburg; als ich ihr von meinem Projekt erzählte wurde sie hellhörig und beschwerte sich über die Energiepolitik in Deutschland und darüber, dass Kinder und junge Leute selbst auf dem Land nur noch über Computer spielen und kommunizieren; Inbegriff unseres Naturverständnisses sei doch der Benzin-Laub-Bläser: meist wird unnötig Laub beseitigt und man bewegt sich in der Natur mit Kopfhörer und Schutzbekleidung; sie und ihre Familie hat kein Auto und macht fast alles mit dem Fahrrad oder zu Fuß
  • bei VAUDE habe ich meine freundlichen Sponsoren auf ein Mittagessen getroffen und gemeinsam ein wenig über die Situation der Demokratie in Deutschland und über meine Reiseerlebnisse geschnackt; nach einem Büronachmittag ging es dann noch zum Klettern

Couchsurfing: das hat mir noch gefehlt, ein Couchsurfer der selbst schon viel wildere Radtouren als ich durch Afrika gemacht hat; zusammen mit seinen Eltern lebt er in einem richtigen Generationenhaus – die Oma war bis vor Kurzem auch noch Teil der Gemeinschaft und er und sein Bruder mit Frau sind erst wieder eingezogen; die Umwelt und unser Umgang damit ist ihnen das wichtige Anliegen – zum Sauerbraten gab es tolle Wildlife-Fotografien von einem Bruder, Extremistengeschichten und Wunderwelten von dem anderen und ein paar Filmchen vom nächsten … als wären fünf Kinder noch nicht genug, hätten die Eltern mich glatt adoptiert, „im Garten gibt’s immer so viel zu tun : )“

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12.11: von Obereisenbach nach Kempten (72 km): Sturm und Regen, aber die Heimat zieht wie ein Magnet

Ein einziger Höhepunkt, nach knapp 3.000 km mit dem Rad wieder nachhause zu kommen ist einfach geil. Das ruppige Wetter gehört ja irgendwie auch zum Allgäu, das schöne allgäuer Braunvieh, die Ställe und Stuben auf den Weilern – Heimkehren war noch bei keiner Reise meines Lebens so schön. Zu toppen vermutlich nur noch wenn man in den Urlaub wandert und zu Fuß heimkommt.

Mit jedem neuen Berglein das rausspitzt gibt es einen neuen Jauchzer und meine Laune ist fantastisch. Gut eingepackt von meinen Freunden bei VAUDE kann mir auch das Unwetter nichts anhaben. Und mein treues Rad von WINORA hat mich wunderbar durchs ganze Land getragen – mit nur einmal Reifen flicken und einem Satz neuer Bremsbacken, auf knapp 3000 km, wohlgemerkt.
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2.687 km + 208 km = 2.895 km einmal mit dem Rad kreuz und quer durch Deutschland und zurück

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