Rücklichter #01: Geil, ich fahre mit…

Tourstart und Abschied von Berlin am Alex
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„Geil da fahre ich mit“, habe ich gesagt, als ich von dem Projekt „Junge Deutsche“ erfahren habe. Warum ich dabei bin und was ich unterwegs so erlebe, berichte ich in meiner Kolumne „Rücklichter“

 

Ich bin Diana, 25 und Lehramtsstudentin. Ich begleite Simon einen Monat lang auf der Junge Deutsche Tour 2012 und versuche mir ein Bild davon zu machen, wie die Lebenswelten junger Menschen in den tiefen unseres Landes so aussehen. Ich arbeite seit Februar 2012 für die Servicestelle Jugendbeteiligung und bin auch schon seit 7 Jahren in der peer-to-peer Jugendarbeit aktiv, besonders in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Jugendbildung. Partizipation war dabei immer ein zentrales Thema.

Mir ist es besonders wichtig, dass Jugendliche einen Raum bekommen, in dem sie sich ausprobieren können und sich mit den Themen auseinandersetzen können, die ihnen wichtig sind, um unsere Gesellschaft mitzugestalten. Das ist auch eines der Gründe, warum ich bei „Junge Deutsche“ mitmache. Das Konzept, das hinter dem Projekt steckt, finde ich sehr innovativ. Ich möchte junge Leute auf meiner Reise überzeugen, dass sie in der Lage sind, in ihrer Lebenswelt etwas zu bewegen. Dazu geben wir ihnen ein Tool in die Hand. Ein anderer Grund ist meine Leidenschaft für’s Radfahren ;). Zusammen ist das eine interessante Kombi: Viele sind neugierig, wollen wissen, wohin ich will und was ich hier mache. So ergeben sich oft sehr interessante und aufschlussreiche Gespräche – für beide Seiten!

 

Stuttgart – Heilbronn – Heidelberg – Darmstadt – Mainz – Bad Kreuznach und Idar-Oberstein waren meine bisherigen Tourstationen. Nach 10 Tagen habe ich mit ungefähr 15 Leuten ausführliche Interviews gemacht. Manche Gespräche waren crazy, manche erschreckend, aber auf jeden Fall waren sie sehr aufschlussreich. Einiges davon möchte ich euch nicht vorenthalten! Viel Spaß beim Lesen 😉

 

Es ist Deutschland hier

 „Der Name ist unglücklich gewählt“ – Dieser Kommentar, der über den Projektnamen geäußert wurde, ist mir des Öfteren begegnet. Als erstes bei meinem Gastgeber Florian in Heilbronn. Da steckt ein tiefverwurzelter Identitätskonflikt dahinter, finde ich. „Alles, was die Wörter „deutsch“ oder „national“ beinhaltet, ist irgendwie rechts konnotiert“, fasst er zusammen. Doch ein besserer Name für das Projekt fiel ihm nicht ein. „Junge Menschen, die in Deutschland leben“, war ein Vorschlag. „Da ist aber automatisch auch das Wort „deutsch“ drin“, argumentiere ich. Wir kommen zu keinem Ergebnis. Die Diskussion verläuft zunächst im Sande und macht mich nachdenklich. Wenn wir ab sofort „deutsch“ mit „rechts“ gleichsetzen und „Deutschland“ mit „Naziland“, geben wir einen Teil unserer Identität in die Hände von Faschisten und Rassisten. Vielleicht sollten wir uns unsere Sprache zurückerobern?

8 Kilometer nord-östlich von Heilbronn befindet sich das Örtchen Lauffen. Dort war ich einquartiert. Abends nimmt mich Florian mit in die Bar „That’s life“. „Dort können wir unsere eigene Musik hören“, freut sich Florian. Und es gibt Sojamilch für 80 cent, wie der überzeugte Veganer mir erklärt.

 Wir steigen in das Auto eines Bekannten, das schon ein bewegtes Leben hinter sich haben muss. Es ist ein motorisierter Blechhaufen auf Rädern. Und im Fußraum befindet sich, wild verstreut, ein halber Singlehaushalt. Beim Losfahren sucht der Fahrer nach der Kurbel, damit ich das Fenster öffnen kann. Sein Fahrstil ist sehr wild und die Straßen der Wohnsiedlung eng. Als er mit Vollgas in eine Kurve steuert, bricht das Heck aus. Erschrocken halte ich mich fest. Alle lachen. Diesen Slide hat er schon einstudiert.

That's life

Yassin ist der Besitzer vom „That’s Life“. Er ist 26, wurde in Deutschland geboren und hat einen türkischen Pass. „Den deutschen Pass brauche ich nicht“, sagt er. Am Wählen ist er nicht interessiert, das ändere eh nichts. Er lebt die türkische Kultur und denkt wie ein Deutscher, seiner eigenen Aussage zufolge. Außer, dass er in Deutschland lebt und arbeitet, sei nicht vieles an ihm deutsch. Dann verlässt er kurz den Tisch um Bier auszuschenken. Florian, der neben mir sitzt, greift das Gespräch sofort auf: „Siehst du, Yassin ist das beste Beispiel dafür, dass „Junge Deutsche“ einfach nicht passt. Er hat nicht mal einen deutschen Pass und identifiziert sich auch nicht als Deutscher.“ An diesem Punkt wurde ich ratlos. Doch dann frage ich mich, wie Yassin das selber sieht. Vielleicht sollte ich Yassin selbst die Entscheidung überlassen, wie deutsch er eigentlich ist. Florian geht wieder zu seinen Freunden, Yassin kommt zurück. Ich frage ihn: „Also, du definierst dich zu 100% als Türke?“ Jetzt zögert er. „Naja, so 50/50. Ich kann es nicht genau erklären, aber einiges an mir ist auch ziemlich deutsch. Schon allein die Sprache, die beherrsche ich besser, als manche Deutsche hier.“ In der Tat drückt Yassin sich sehr gut aus. Zwischendurch diskutiert er mit den anderen Jungs über wirtschaftliche und politische Themen. „Fühlst du dich also von dem Namen „Junge Deutsche“ miteinbegriffen?“ – „Ja, absolut!“

 

1 Gedanke zu “Rücklichter #01: Geil, ich fahre mit…

  1. Ich finde, der Name „Junge Deutsche “ passt sehr gut. Ich definiere mich als deutsch. Ich kann mich nicht als Weltbürger oder Europäer fühlen. Wie auch? Bis auf den ein oder anderen Urlaub habe ich keine Zeit im Ausland verbracht. Andere Sprachen außer Englisch spreche ich auch nicht, andere Kulturen in Europa sind mir auch fremd. Selbst wenn ich andere Länder besser kennen würde, so wächst man doch langsam im Laufe seines Lebens in eine Kultur herein. Meiner Meinung nach trauen sich viele nicht zu sagen, dass sie sich deutsch fühlen und verstecken sich dann hinter den besagten Begriffen, die ich aber überhaupt nicht greifbar finde. Was ist denn ein Weltbürger oder was macht einen Europäer aus? Das finde ich ziemlich abstrakt.

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