Fahrtwind #04: Spielkonsole vs. Beteiligung

Simon mit Julian von JUST in your Town in WeiterstadtEin Beitrag über unsere tägliche Herausforderung, junge Leute für das Projekt zu gewinnen. Beteiligung ist harte Arbeit, die Engagierten werden mit Anfragen überhäuft und dann kommen zwei Radler mit noch einem Projekt. Warum es sich lohnt mitzumachen und wir uns auf euch freuen.

Jetzt fahre ich schon seit drei Wochen gemeinsam mit Diana durch die Republik. Gemeinsam zu fahren, Interviews und Workshops durchzuführen und danach auszuwerten ist eine echte Bereicherung für mich persönlich und für das Projekt. Warum macht Jugendforschung- und Beteiligung Spaß? Für mich, weil ich die Gespräche spannend finde, durch die Statistiken zum Leben erweckt werden. Aber das ist nicht entscheidend. Ob wir das Ziel von mehr Beteiligung und besserer Interessensvertretung junger Menschen erreichen, hängt davon ab, ob wir Andere für das Projekt begeistern können.

Wir gehen im Rahmen der Tour zu Schulen, Jugendzentren oder Großveranstaltungen und werben für die Teilnahme an dem Projekt. Vielen Dank an dieser Stelle an Anni, Laura, Marc, Maren und Matti bei der Servicestelle, ohne deren Unterstützung das nicht möglich wäre. Die Aktionen richten sich in Dauer und Format ganz nach den Gastgebern: wir machen Gruppengespräche mit Kleingruppen im Jugendzentrum und diskutieren die Lebenssituation junger Leute in der Stadt, wir führen im Kreise von Jugendarbeitern (z.B. vom örtlichen Jugendring organisiert) ein Training zur Durchführung und Auswertung von Interviews durch, oder wir präsentieren vor großen Gruppen die Ergebnisse und das Konzept unserer Forschungsarbeit. Und wir sind spontan und flexibel mit dem Format – sprich, wir können spontan auf die tatsächliche Gruppengröße eingehen.

 

Spielkonsole vs. Beteiligung

Eine super Erfahrung war unser Aufenthalt in Weiterstadt in Hessen. Um für mehr Beteiligung junger Menschen in der Stadt zu werben, hat der lokale Verein JUST in your Town ein 24-Stunden-Camp aufgebaut, um über Engagement-Möglichkeiten zu informieren und um auf der bequemen Couch ins Gespräch zu kommen. Als wir ankamen wurde noch eifrig vor dem Bildschirm gezockt. Wir verteilten Fragebögen an junge Weiterstädter und ernteten gleichermaßen Anerkennung wie Unverständnis für das Projekt – Anerkennung für die Tour, Unverständnis für den Aufwand, den wir dabei treiben. „Ok, ich bin fertig! Und wie soll da jetzt eine Stadtstudie daraus werden?“

Ein Kandidat für das Bundestagsmandat besucht unseren Workshop und notiert unsere Ergebnisse, hoffentlich als WahlkampfthemenWir haben fünf Fragen ausgesucht und innerhalb der Gruppe eine Auswertung gemacht – unspektakuläre Statistik mit Handzeichen und Strichliste. Das mit Strichen gespickte Blatt haben wir dann zusammen mit den Jugendlichen untersucht, auf Trends und Besonderheiten hin. Die Aufgabe lautete: „Was sind die wichtigsten Themen oder Anliegen junger Menschen in deiner Stadt?“ Wir haben uns drei Trends oder Geschichten geeinigt, die wir erklären wollen und die Runde befragt, wer das Gefühl von Sicherheit in der Stadt als „eher schlecht“ einstuft und wieso er oder sie zu dieser Bewertung kommt. Als klar wurde, dass sich hinter derselben Antwort zehn unterschiedkliche Sichtweisen verbergen können, hatten wir den Wettkampf gegen die Spielekonsole gewonnen. Als hätte es Klick gemacht – die Teilnehmer waren plötzlich voll bei der Sache. Aus der Zahl 60% wurden auf einmal Geschichten, die unterschiedlicher kaum sein können. Es kam Bewegung in den Pavillion und auf dem Marktplatz entstand eine lebhafte Diskussion. „Kannst du noch bleiben und uns erklären wie wie Interviews machen können?“ Natürlich bin ich länger geblieben. Ich liebe dieses Funkeln in den Augen und die Neugier mehr zu wissen.

Weiterstadt macht weiter. Die jungen Leute von JUST in Town organisieren, dass in ihrer Stadt eine Stadtstudie durchgeführt wird. Sie wollen sich für eine bessere Situation junger Menschen in ihrer Stadt einsetzen und erarbeiten mit der Stadtstudie ihre Prioritäten und eine überzeugende Argumentationsgrundlage, in Zahlen und Geschichten. Um repräsentative Aussagen über die verschiedenen Lebensphasen junger Menschen treffen zu können, werben sie um die Unterstützung anderer Akteure, die selbst jung sind oder mit14-34-Jährigen arbeiten, wie z.B. an Schulen, Jugendeinrichtungen, Streetworker oder beim Arbeitsamt.

 

Was ins Rollen bringen …

Beim Hochschulradio in Aachen - danke für das nette InterviewWeiterstadt ist nicht allein. In Stuttgart hat der Choice e.V. eine schöne Stadtrally (trotz Regen) mit anschließendem Workshop im Inzel in Bad Cannstadt organisiert. In Kempten haben wir mit dem Stadtjugendring Kempten bereits zwei Interviewer-Workshops durchgeführt. In Aachen hat eine junge Studentin von Think Young einen Workshop in einer angesagten Studikneipe und ein Interview mit dem Campus Radio Aachen organisiert. In Essen war es ein engagierter Pfarrer, der im Stadtteiltreff Holsterhausen junge Leute für Gruppengespräche zusammentrommelte … Und in deiner Stadt?

 

… und wie geht’s weiter?

Werbt erst einmal dafür, dass möglichst viele Leute online an der Befragung teilnehmen. Sucht bitte die Unterstützung von Leuten mit einem Draht zu den verschiedenen Altersgruppen, wie Engagierte Leute an Schulen, in Gemeinden, Vereinen, Jugendzentren, und so weiter – damit die Ergebnisse nicht nur für eine Altersgruppe Aussagen treffen können. Ihr teilt uns mit, dass ihr das macht und die Postleitzahlen für euer Gebiet und wir geben euch nach 100 Teilnehmer_innen umsonst eine Zwischenauswertung. Durch diese Auswertung erkennt ihr bereits Trends und Themen, die für eure Stadt oder Gemeinde besonders relevant sind. Diese Themen könnt ihr dann in Interviews aufgreifen und euch erklären lassen. Die Schlussauswertung bekommt ihr nach dem 31.01.2013 natürlich auch. Dann habt die Situation junger Leute in Zahlen und könnt diese durch ganz konkrete Geschichten argumentieren, zum Beispiel im Dialog mit Entscheidungsträger_innen vor Ort.

Wie man Interviews führt oder wie aus Statistiken & Geschichten Stadtstudien werden, das erklären und üben wir in unseren Workshops, oder ihr liest es kurz und knapp in den Dokumenten auf der Seite Methodik. Dort kann man übrigens auch den Fragebogen und den Tour-Flyer herunterladen.

Lust bekommen? Kontaktiert uns und lasst uns wissen, wie wir euch unterstützen können. Und wenn wir auf der Tour noch bei euch vorbeikommen, dann lasst uns doch in Potsdam, Berlin, Rostock, Hamburg, Bremen, Halle, Nürnberg, München, Kaufbeuren und vielen Orten dazwischen noch was schönes – egal ob groß oder klein – organisieren. Bei mir geht’s aber erstmal von Chemnitz weiter nach Dresden – bei strahlendem Wetter und hoffentlich ohne Gegenwind.

Je mehr mitmachen, desto lauter wird die Stimme junger Menschen gehört werden. Ladet bitte eure Freunde und Bekannte zur Teilnahme an der Befragung ein www.jungedeutsche.de/jd2012/online-teilnahme/

Viele Grüße von unterwegs,

 

Simon 

1 Gedanke zu “Fahrtwind #04: Spielkonsole vs. Beteiligung

  1. Lieber Simon,
    mich erinnert Dein Tun an ein sehr lange zurück liegendes Projekt, das leider
    für seine Zeit zu früh kam und im Grunde erst heute wieder entdeckt wird (erzähle ich Dir gern persönlich).
    Ich habe Dir eine mail an simon.schnetzer@datajockey.eu geschickt. Betrifft kleine
    Aktion in Berlin. Wir können auch weiteres ankurbeln, wenn ich weiß, wann Du hier bist.
    Hoffe, Du liest das bald und wünsche Dir eine erfolgreiche Studienreise mit großer
    REsonanz.
    Übrigens, kennst Du diesen blog (?) : http://erfahrungteilen.wordpress.com/
    Sebastian wird am 30. Oktober hier im Büro zu Gast sein.

    Herzlichen Gruß und bis bald!
    Volker

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