Rücklichter #4: „Ich bin nicht mehr die PC-Generation.“

NRW-Tour: Ich wartete mit Laura am Hauptbahnhof in Köln in einem schlecht beheizten Starbucks auf unseren Zug nach Münster. Es war schweinekalt, draußen schneite es und wir ließen die ersten Begegnungen Revue passieren. Laura tippte auf dem Laptop herum, um ihr erstes Interview zu dokumentieren. Ich hatte nichts zu tun. Mir gegenüber saß eine junge Frau, die ziemlich herumzappelte. Ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie noch eine lange Wartezeit vor sich hatte und nichts mit sich anzufangen wusste. Sie schaute einen Atemzug lang auf die Uhr um dann resigniert einen tiefen Seufzer von sich zu geben.

„Na, wie lange musst de noch warten?“ Sagte ich mit leichter Berliner Färbung. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es einfacher ist, in Heimatsprech auf die Leute zuzugehen, auch wenn es für sie ungewohnt ist. Das ist persönlicher und schafft mehr Offenheit.

Sie lächelte, womöglich dankbar darüber, dass sich jemand mit ihr unterhält: „Noch zwei Stunden! Ich weiß nicht, was ich noch so lange machen soll!“

„Darf ich deine Wartezeit ein wenig verkürzen? Ich hab hier einen Fragebogen…“

Sabrina ist 28 und kommt aus einem Vorort von Würzburg. Sie ist auf dem Weg zu einer Freundin, die in Belgien studiert. „Die ist immer mal irgendwo zum studieren. Das ist praktisch, dann kann ich sie immer besuchen und lerne so viele Länder kennen.“ Wenn nur die langen Wartezeiten auf dem Bahnhof nicht wären!

Für Sabrina ist die Familie ein wichtiger Bestandteil in ihrem Leben. Aber auch die Freunde gehören dazu. Die hat sie in ihrem Fragebogen extra nochmal dazu geschrieben, bei der Frage, welche Themen den größten Einfluss auf ihre Lebenssituation haben. Ihre Eltern sind auch gleichzeitig ihre Vorbilder. Sie schätzt Charaktereigenschaften an ihnen, wie die Einstellung zu Arbeit und Beruf, aber auch den Umgang mit zwischenmenschlichen Themen.

„Ich arbeite im Amt, das von Personaleinsparungen betroffen ist. Zu wenig Leute machen die Arbeit von Vielen. Dann kommt auch noch der Druck von den Bürgern, die wollen, dass ihre Unterlagen fertig sind.“ Sie sagt, sie würde den Druck nicht aushalten, wenn ihre Freunde und Familie nicht da wären, um ihr Rückhalt zu geben und bei Problemen zu helfen. „So bleibt alles stabil. Es sind genug Leute von Burn Out betroffen.“

Der persönliche Kontakt zu Menschen, die ihr wichtig sind, ist für Sabrina nicht ersetzbar. Auch nicht von Plattformen wie Facebook. „Ich bin nicht mehr die PC-Generation“, sagt die 28-jährige Finanzbeamtin. „Ich habe keinen Laptop zu Hause und ich bin auch nicht bei Facebook – dafür habe ich abends keine Energie mehr.“ Sie findet, dass man durch soziale Netzwerke den persönlichen Kontakt zu Menschen verliert. Findet ihr das auch?

„Jüngere, männliche Azubis haben weniger Probleme am Telefon wie ich.“

Sabrina stellt fest, dass sie als junge Frau im Amt weniger ernst genommen wird. Es mag vielleicht am Alter liegen, doch ihre Beobachtung ist, dass auch das Geschlecht ausschlaggebend ist: Männliche Kollegen haben es nicht so schwer. Ihnen wird leichter nachgegeben. Daher wünscht sich Sabrina mehr Gleichbehandlung und Chancengleichheit, und zwar in vielen Bereichen: Zwischen jung und alt, zwischen Männern und Frauen, zwischen finanziell benachteiligten Studenten und privilegierten Studenten: “Ich habe wegen zu hoher Studiengebühren ein Studium abgebrochen. Sowas muss nicht sein.“ Studiengebühren abschaffen, das ist die Forderung von vielen jungen Menschen in Deutschland. Nur eine von einer Vielfalt an Forderungen an das Thema Bildung, an der es in diesem Jahr allmählich was zu ändern gilt. Daher teilt uns mit, was euch stört, füllt fleißig den Fragebogen aus und erzählt Freunden davon!

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