Fahrtwind #03: die 2. Woche … Grenzenlose Mobilität & Grenzen der Mobilität

 

Fahrradfreundschaften unterwegs im Saarland
Eine nette Begegnung im Saarland – keine Seltenheit im Sattel

Ich fahre zum 2. Mal  tausende Kilometer durch ganz Deutschland. Das kann man zu jeder Jahreszeit machen und die Entschleunigung ist vielmehr Bereicherung als Einschränkung. Reflektionenen über Mobilität in Deutschland.

Ich muss nicht erst die Auswertung der Studie abwarten, um sagen zu können, dass viele junge Menschen in kleinen und großen Städten deutschlandweit das Angebot an Radwegen für extrem bescheiden halten. Schreib uns doch einen Kommentar darüber, wie es in deiner Stadt aussieht. „Ich habe Angst mich mit dem Rad im Verkehr, zwischen den vielen Autospuren zu bewegen“ sagt Dani in Aachen. Aachen ist kein Einzelfall. Die Bewertung des Angebots and Fahrradwegen ist in ganz Deutschland schlecht, mit wenigen Ausnahmen. Genauso ist die Angst von Dani im Verkehr keine Ausnahme. Viele junge Menschen sind auf das Rad und die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen, weil sie kein Auto haben oder aus Kostengründen und ökologischen Bedenken darauf verzichten. 

Die autogerechte Stadt: ein Modell der Vergangenheit

 

In den 60er und 70er Jahren war „Autogerechtigkeit“ das Ziel der Städteplaner. Straßenbahnen mussten weichen, Straßen wurden erweitert, der ungehinderte Autostrom war die Maxime. Man wollte modern sein und den Bedürfnissen der wachsenden automotorisierten Massen gerecht werden. Heute sind die Massen vom Auto abhängig – ob sie es wollen oder nicht, und obwohl sich viele Sprit und eigenes Auto nicht leisten können. Die Wege des Alltags sind weiter geworden – viele junge Menschen können sich das Leben in den Zentren nicht mehr leisten und ziehen

in die Vororte oder sind bereit für Schule und Beruf weit zu pendeln. Wer nicht Auto fahren kann, oder zu wenig Geld dafür hat, ist aufgeschmissen. Mitfahrzentralen oder Fahrgemeinschaften werden populärer, können aber die Effekte systemischer Fehlplanung nur mildern, nicht verhindern.

Der öffentliche Nahverkehr verbindet populäre Ziele zu lukrativen Zeiten – wer auf andere Zeiten oder Verbindungen angewiesen ist, hat in der Regel das Nachsehen. Versorgungssicherheit wird nicht mehr gewährleistet – weder von Kommunen (unter dem Vorwand knapper Kassen), noch von Betreiberfirmen, die rentabel wirtschaften müssen. Die Angebotene Versorgung jedenfalls ist vielerorts schlecht, zu unregelmäßig und zu wenig auf andere Fahrpläne abgestimmte. „Ich würde gerne mit den Öffentlichen zur Arbeit fahren, aber nicht wenn ich dadurch dreimal so lange brauche“, argumentieren viele. 

Vorbildliche Beschilderung an der Mosel

Das Fahrrad ist eine super Alternative: man kann es bis auf wenige Tage das ganze Jahr über nutzen, es verbraucht keine Rohstoffe (außer in der Herstellung), ist leise und trägt zur Gesundheit und guten Laune der Fahrenden und der Gesellschaft bei. Aus all diesen Gründen sollte es (und das ist meine persönliche Meinung) ein Hauptverkehrsmittel mit klar ausgewiesenen Wegen und Beschilderung im innerstädtischen und ländlichen Raum sein. Ich benutze selten Radwege auf meiner Reise: im Innerstädtischen sind die Wege meist in schlechtem Zustand und erfordern zeitraubende Absprachen mit Fußgängern, oder sind gefährlich zwischen den Autospuren angelegt; Überland macht man fast immer Umwege auf Radwegen und wird mit schlechter Beschilderung in die Pampa geschickt und kann sich in jedem Dorf wieder nach dem richtigen Weg durchfragen. Es gibt viele wunderschöne Radwege, aber wer das Rad als Verkehrsmittel benutzt, will genau wie Autofahrer auch schnell und sicher ans Ziel kommen. Dank der immer besseren E-Bikes findet man auch in hügeligen Gegenden zunehmend mehr ältere Personen, die das Rad für sich wiederentdecken. Mehr Radfahrer haben langfristig zur Folge, dass mehr fröhliche und gesunde Menschen im Straßenverkehr unterwegs sind, weniger Lärm und Abgase entstehen und Menschen durch die Entschleunigung wieder schöne Dinge am Wegrand entdecken. Außerdem schmeckt das Essen nach dem Radeln doppelt so gut und man schläft besser. Eine schöne Aktion in dem Zusammenhang ist übrigens die Kampagne www.Stadtradeln.de

Für Behinderte oder alte Menschen mit Rollator ist das Rad keine Alternative. Aber auch sie werden im Verkehr diskriminiert, weil Gehwege unzureichend abgesenkt werden und die Ampelschaltung für ungeduldige Autofahrer optimiert ist. Die Rollstuhlfahrer und Alten sind regelmäßig auf die Geduld und Umsicht der Autofahrer angewiesen – obwohl die Berücksichtigung dieser Einschränkungen bei den Fußgänger-Grünphasen eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Mobil bis an die Grenzen der Ressourcen

Ich bin schon viel gereist und habe die Vorzüge der günstigen Flüge für Fernreisen und Pflege internationaler Freundschaften genutzt. Eineinhalb Wochen Schichtarbeit = Australien, dachte ich mir mit 21. Wir wissen bescheid über die Umweltschäden des CO2-Ausstoßes. Wir wissen von den Umweltkatastrophen in der Ölförderung aus der Karibik oder dem Ölsand in Kanada. Und wir wissen von den Kriegen und der Korruption, die aus dem Streit um Öl rühren. Doch die meisten von uns entscheiden sich täglich an der Zapfsäule wieder für dieses System, aus Bequemlichkeit, vermeintlicher Notwendigkeit der weiten Wege oder einem Mangel an Alternativen. Bio-Sprit ist keine Lösung – er vierdient die ökologische Namensgebung nicht und gehört verboten, anstatt staatlich subventioniert. Die Lösung liegt in individuellem Umdenken: kürzere Wege, bessere öffentliche oder private Verkehrsangebote, weniger Fernreisen und mehr Fahrradfahren und Laufen. Und bzgl. Ökobilanz schneidet ein Apfels aus der Region immer schlechter ab, wenn man den Kilometer zum Markt bequem im Auto zurücklegt.  

Je teurer der Sprit wird (und er wird sicher nicht mehr billiger), desto eher sind wir zu einem Umdenken bereit. Städte und Gemeinden sollten dieses Umdenken fördern und ihm den entsprechenden Raum im Stadtbild zuordnen: Fahrradfreundliche Städte sind cool & sexy!!

Und damit das mit der fahrradfreundlichen Stadt auch klappt, hier eine Anleitung mit nützlichen Infos: http://www.stadtradeln.de/fileadmin/stadtradeln/inhalte/Dokumente/kampagne_fahrradfreundliche-staedte.pdf

Die letzte willkommene Stärkung am Wegrand in der Eifel

Zwei Wochen der Tour sind nun vorbei. Viele Grüße aus Aachen, 

Simon 

3 Gedanken zu “Fahrtwind #03: die 2. Woche … Grenzenlose Mobilität & Grenzen der Mobilität

  1. Im Prinzip stimme ich dir da total zu. In Schwerin zum Beispiel ist alles so verbaut, dass es da kaum noch Möglichkeiten gibt, Radwege in der Innenstadt nachzurüsten. In Rostock ist das ganz anders, da sind die Radspuren überall mit bei, schlichtweg weil sonst Massen an Studenten gar nicht durch die Stadt kommen würden. Im Ländlichen Raum kann man zumindest hier in Mecklenburg-Vorpommern nicht meckern, da ist viel passiert durch Förderprogramme. Alles ein sehr enges Wegenetz geworden, so dass man schön neben den Alleen der Bundestraßen auf a*rsch-glattem Pflaster radeln kann 🙂

  2. Hallo Simon,

    vielen dank für Deinen Text. Ich wurde auf Grund eines meiner Beiträge bei Diaspora [1] hierhin verwiesen. Es ist in der Tat so das die Meisten Städte und Gemeinde, aber auch die Wege dazwischen immer noch sehr stark auf den Autoverkehr ausgelegt sind.

    Ich wohne hier in einer kleinen Gemeinde mit fünf Teilorten. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es zwar, aber sie sind zumindest für mich absolut suboptimal bzw. nicht nutzbar. Sprich auch ich muss aufs Auto setzen um aus meiner Heimat 30 Kilometer weiter zu meiner Arbeitsstelle zu kommen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf eine Entwicklung hinweisen die es wohl vor allen in Baden-Württemberg und Bayern gibt. Hier haben wir ja eine sehr starke Zersiedelung, die auch auf die Zentrierung aufs Auto in den 70er und 80er Jahren zurückzuführen ist. Das führt jetzt dazu das viele der kleineren Orte und Gemeinden immer mehr überaltern. Die Jungen ziehen weg und im Gegensatz zu früher kommen kaum noch neue Leute (vor allen junge Familien mit Kindern) hinzu. Sprich diese Orte und Gemeinden vergreisen langsam aber stetig. Ich denke das es in Zukunft eine Aufgabe der Politik sein wird noch mehr Leute dazu zu bringen aus den kleinen Dörfern und Gemeinden abzuwandern, in Ortschaften mit Bahnanbindung und guten Öffentlichen Verkehrssystem. Das ist in meinen Augen unabdingbar, da zum einen die Infrastruktur in diesen Orten immer schlechter wird und zudem die Öffentlichen Verkehrsmittel immer schlechter finanzierbar werden. Das setzt aber in den Orten wo die Leute dann zuziehen eine umso bessere Ausrichtung auf Fußgänger und Fahrradfahrer voraus und kann ganz schnell zu gewaltigen Problemen führen.

    Nun ich bin gespannt wie es sich entwickelt.

    Viele Grüße
    Sascha

    [1] https://pod.geraspora.de/posts/822818

  3. Hallo Sascha,

    danke für deinen Beitrag und du wirfst noch eine wichtige Frage auf: wie wollen wir künftig umgehen, mit Orten, für die es zu teuer wird, sie in die Gesellschaft und Grundversorgung einzubinden (Einkaufen, Gesundheitsversorgung etc). Ich hätte gerne gewusst, auf welche Region du dich in deinem Kommentar konkret beziehst.

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